Parzival

 

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Wolfram von Eschenbach

Parzival

 

1 Zur Didaktik und Methodik

 

Es wird im folgenden Modell nicht darum gehen, philologische oder literatur-wissenschaftliche Steckenpferde zu reiten, sondern darum, den Gegenstand so aufzubereiten, dass er dem Schüler/der Schülerin vielleicht auch dem Lehrer interessant werden kann.

„Interessant werden“ bedeutet nicht: zur Identifikation einladen oder verführen. Viel eher sind Momente, die z. B. „herausfordern“, „stutzig machen“ (im Thomas Mannschen Sinn), „zum Vergleich auffordern“, beabsichtigt.

Die Begegnung mit dem ganz anderen, dem Fremden soll hier didaktisch genutzt werden, den Einstieg in die Gesamtproblematik zu wagen. (Im Zusammenhang mit Kellers Grünem Heinrich wird ein anderer Einstiegsweg vorgestellt werden.) Aber es ist auch an Provokation gedacht, vielleicht auch an eine Infragestellung eigener Positionen (sofern solche vorhanden sind) und damit auch an Erschütterung von bis dato wenig oder nicht reflektierter (wohl aber vorhandener und wirksamer) Meinungen und Haltungen.

Wenn auch der hier vorgeschlagene Text besonders geeignet ist, die Werte-Frage anzugehen und sich ihr zu stellen, so bedeutet das keineswegs, dass das unter Umständen vorhandene Wertsystem bzw. die Werthaltung Parzivals, Gawans, die des Gurnemanz oder des Trevrizent ungeprüft übernommen bzw. im Sinne zeitübergreifender Größen (Stichwort: „ewige Werte“) betrachtet werden sollen. Wohl aber sollen solche Systeme bzw. Positionen im Handlungsgefüge textimmanent herausgearbeitet, reflektiert und in ihrer den Text überschreitenden gesellschaftlichen Eingebundenheit erkundet werden. D. h., es wird immer zu fragen sein: Wie sieht die gesellschaftlich akzeptierte („aktuelle“) Wertordnung im Vergleich aus? Konkret: Wie sieht die ritterliche Adelsgesellschaft das Verhältnis Ritter Gott? Wie bestimmt sie die Position des Ritters? Und im Kontrast dazu: Wie sieht das bei Wolfram aus?

Gerade unter dem Stichwort der Fremdheit wird das, was Munding mit existenziellem Transfer bezeichnet (siehe hierzu unter „Literaturdidaktik“), besonders interessant: Wie müsste nun ein Modell aussehen, das heute der Gesellschaft die Antwort gibt, die Wolfram seiner Gesellschaft gab?

Eine solche didaktische Schwerpunktsetzung hat zur Folge, dass gegenstandsbezogene Schwerpunkte sich gegenüber der Fachwissenschaft verschieben. Sprachliche Probleme mögen zwar in besonderem Maße vorhanden sein, sie dürfen sich aber nicht soweit in den Vordergrund drängen, dass sie ein zu großes Maß an Aktivitäten absorbieren inhaltliche Probleme überlagern: In vielen Fällen allerdings sind „sprachliche Probleme“ eben auch inhaltliche Probleme. Oft wird es darum gehen, die präzisen Begriffsinhalte zu erfassen und semiotische Prozesse nachzuzeichnen, die sehr wohl auch Gegenwart beleuchten können.

Ergebnisse der Fachwissenschaft werden eklektizistisch herangezogen. Unter Umständen können sich so Widersprüche ergeben. Diese werden in Kauf genommen.

Gegenwärtiges Bewusstsein wird, gerade um die Fremdheit zum Tragen kommen zu lassen, zeitweise zurücktreten müssen, so dass die je in Frage stehende Sache nicht zu stark vom gegenwärtigen Bewusstsein überlagert wird. (Ganz wird sich das ohnehin nicht vermeiden lassen.) Um eine solche Überlagerung in vertretbaren Grenzen zu halten, wird gelegentlich eben auch sprachliche Arbeit, Arbeit an den in Frage stehenden Begriffen und Wortfeldern, notwendig werden.

Eine Konfrontation mit gegenwärtigem Bewusstsein wird gezielt ins Auge gefasst, um einem Aufgehen in Überzeitlichkeit entgegenzuwirken.

 Hinweise zu möglichen Textausgaben:

Es ist zwar nicht erforderlich, dass die Schülerinnen und Schüler den gesamten mittelhochdeutschen Text in Händen haben (wenngleich das zu begrüßen wäre und auch finanziell zu realisieren ist), allerdings sollte eine möglichst umfangreiche Textauswahl gewählt werden. Nach Möglichkeit sollte wenn mit dem mittelhochdeutschen Text (etwa einer Studienausgabe oder mit der Ausgabe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft) gearbeitet wird eine neu-hochdeutsche Übersetzung zur Verfügung stehen.

Empfehlenswert sind die zwei Bände der Reclam-Ausgabe (mhd. und nhd. Text), die Ausgabe von Gottfried Weber der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt (hier auch gute nhd. Nacherzählung und sehr brauchbare Wort-/Begriffserläuterungen), aber auch die Übersetzung von Dieter Kühn verdient Beachtung, zumal sie mit der (fiktiven) Wolfram-Biografie eine ganz besondere „Zugabe“ bietet und es so schafft, ein anschauliches Bild der gesellschaftlichen Zustände zu entwerfen, in deren Rahmen der Autor wirkte.

Abzuraten ist von den kleinen Auswahlbändchen. Sie bieten nicht nur eine indiskutable Übersetzung, sondern verkürzen die Handlung um wesentliche Bestandteile (meist fehlt Gawan ganz). Sollte aus Kostengründen doch auf eine knappe Version zurückgegriffen werden, so wird es Aufgabe des Lehrers/der Lehrerin sein, in ausführlichen Lehrervorträgen (endlich kann sich der Deutschlehrer auch mal wieder als „Erzähler“ in Szene setzen!) sowohl den mittelhochdeutschen Text zu präsentieren, als auch die Verbindung zwischen den ausgewählten Teilen herzustellen.

In jedem Fall ist es zu empfehlen, zumindest wichtige Stellen im mittelhochdeutschen Original zu belassen. Wenigstens die zentralen Begriffe (êre, minne, aventiure, tugent, arebeit usw.) sollten nicht übersetzt, sondern in ihren Kontexten erfasst werden. Im Übrigen sollte man nicht zu viel Scheu vor dem mhd. Text haben: es geht nicht darum, ein Proseminar abzuhalten, sondern den Text verständlich zu machen. Und da kann ein sinngestaltendes Vorlesen schon sehr viel helfen.

Den kompletten mhd. Text im Netz nebst ein er sehr guten Einführung finden Sie unter:

http://www.fh-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/13Jh/Wolfram/wol_pa00.html

Die nachstehende Skizze folgt der Chronologie des Werks und enthält damit Grundzüge des kursorischen Lesens. Dieser Ansatz wird insofern notwendig, als hier bestimmte Probleme, die mit dem Entwicklungsgedanken zusammenhängen, erstmals in ihrer Entwicklung genauer verfolgt und erörtert werden sollen. Natürlich werden thematisch-problemorientierte Aspekte immer wieder eingeschaltet, sie lassen sich aber auch in einem zweiten Durchgang gesondert behandeln. Im vorliegenden Konzept werden solche Einzel-/Teilprobleme isoliert angerissen bzw. als Teilblöcke ausgewiesen, da nur in der konkreten Unterrichtssituation über den jeweiligen Ort der Behandlung entschieden werden kann. Auf eine dritte Möglichkeit sei besonders hingewiesen:

Die Schüler haben vor der unterrichtlichen Besprechung den Text gelesen. Die Behandlung wird mit einer „Kartenabfrage“ eröffnet: Jeder Schüler notiert auf Karteikarten mindestens vier Themen/Probleme, die seiner Meinung nach wichtig für „Parzival“ sind. Die Karten werden dann nach großen Themenbereichen sortiert. Der weitere Unterricht wird zunächst von diesen Themen her bestimmt: Den einzelnen Themen können sich Schülergruppen zuordnen, die dann diese Themen bearbeiten. In einem anschließenden kursorisch orientierten Längsschnitt wird ein Gerüst angeboten, in das sich die Gruppen einklinken können, wenn sie Wichtiges beizutragen haben. Wird ein von einer Gruppe bearbeitetes Thema aktuell, so übernimmt die Gruppe den Unterricht, bis ihr Thema geklärt ist. Die „Kartenabfrage“ eines meiner letzten Kurse (1995) ergab folgendes Bild (die einzelnen Fragen/Probleme sind bereits geordnet):

 

1. Parzivals Entwicklung

—        Parzivals Weltanschauung und Erziehung

—        Parzivals Erziehung und ihre Auswirkungen

—        Der Aufstieg Parzivals vom Trottel zum Gralskönig

—        Warum darf sich Parzival so viele Fehler erlauben?

2. Gral

—        Unterschied zwischen Gralsrittertum und Artusrittertum (3x)

—        Bedeutung des Gralsrittertums

—        Was hat es mit dem Gral auf sich? Gab es ihn wirklich magischer Gegenstand?

—        Bedeutung des Grals (3x)

—        Was macht den Gral so wichtig?

—        Wieso ist gerade Parzival der Auserwählte?

—        Welche Rolle spielt Artus in Parzivals ritterlichem Werdegang?

—        Warum wird Parzival ein zweites Mal zum Gral berufen?

3. Rolle der Frau

—        Stellung der Frau im Mittelalter

—        Rolle und Stellung der Frau im Parzival (Rechte und Behandlung)

—        Warum werden die Frauen so stark verehrt?

—        Die Veränderung des Verhaltens Parzivals gegenüber der Frau

—        Parzivals Beziehung zu den Frauen

—        Warum waren im Mittelalter alle Frauen schön?

4. Gawan

—        Geschichte Gawans

—        Welche Rolle spielt Gawan in dem Stück?

—        Warum ist die Gawan-Handlung so ausführlich beschrieben?

—        Parallelen zwischen Gawan und Parzival

—        Beziehung zwischen Parzival und Gawan

—        Warum stellt Wolfram dem Haupthelden Parzival eine Art Nebenheld gegenüber?

—        Warum spielt Gawan auch eine wichtige Rolle bzw. gibt es Unterschiede zwischen Parzival und Gawan?

—        Wird Gawan als Kontrast zu Parzival gewählt?

—        Warum wird die Parzival-Handlung durch die Gawan-Handlung durchbrochen?

5. Religion/Gott

—        Rolle der Religion innerhalb der ritterlichen Gesellschaft

—        Die Gottesfrage in Beziehung auf Parzival und sein Schicksal

—        Parzivals Einstellung zu Gott (Entwicklung vom Ungläubigen zum Gläubigen)

—        Bedeutung der Erfahrung beim Einsiedler Trevrizent

—        Beziehung Parzival Trevrizent

6. Ritterideal/Mittelalter

—        Ritterideale und ihre Bildung

—        Frage nach dem Sinn des ritterlichen Handelns

—        Waren alle Ritter im MA wie Parzival treu?

—        Vergleich MA Wirklichkeit Parzival?

7. Parzivals Verwandtschaft

—        Rolle der Familie des Parzival?

—        Warum sind die Figuren im Stück so zahlreich und wie kann man die Beziehungen untereinander darstellen?

—        Die Beziehung der Ritter untereinander und zu Parzival

—        Personelle Verflechtungen

—        Verwandtschaft zwischen den Figuren im Roman

—        Beziehung Parzival Feirefiz

—        Zu Parzivals Bruder Feirefiz: F. dient ja zur Kontrastierung des Parzival; warum wird F. oft stärker, mächtiger als Parzival dargestellt? Dadurch verliert der Held in gewisser Weise an Ansehen.

—        Die Rolle der Geschichte Gahmurets. Wie wichtig ist sie für Parzival, welche Auswirkungen hat es auf Parzival, dass Gahmuret sein Vater ist?

—        Die Bedeutung der Ermordung Ithers durch Parzival

 

Behandlung im Unterricht

Hierzu gibt es ein Unterrichtsmodell:

als Ebook bei http://www.amazon.de/Kindle-eBook-B%C3%BCcher/s?ie=UTF8&page=1&rh=n%3A186606%2Cp_27%3AFriedel%20Schardt%2Cp_n_binding_browse-bin%3A600849031